Mausarm, RSI, Karpaltunnelsyndrom


Viele Namen, viele Schmerzen. Als Grafiker und Musiker mussten meine Handgelenke jahrelang eine Doppelbelastung ertragen. Irgendwann kam dann die Rechnung. Es fing an mit Schmerzen nach langer Arbeit an der Maus. Waren diese anfangs nur im Handgelenk lokalisiert, wanderten sie mit der Zeit immer weiter. Nach einiger Zeit tat eigentlich der komplette Schulterbereich und die Arme weh. Zunehmend wurden zudem die Hände taub und die extrem anspruchsvollen Bewegungen beim feinen Gitarrenspiel stark erschwert. Irgendwann konnte ich Stücke, die ich schon mal perfekt konnte, nur noch mit Schwierigkeiten spielen und nach langen Arbeitstagen am Rechner brannte mehr oder weniger die Muskeln des halben Oberkörpers. Nun bin ich kein untrainierter oder unsportlicher Mensch. Der Arzt war daher auch verwundert. Tests an Nerven etc. brachten keinen eindeutigen Befund. Trotzdem wird einem natürlich eine Operation empfohlen und was von Karpaltunnelsyndrom erzählt. Kurz gesagt ist die Idee dabei, dass die Nerven unten am Handgelenk durch einen sehr engen Kanal laufen und dort leicht eingeklemmt werden. Ist halt ein Hochpräzisionswerkzeug so eine Hand, bei dem kein Platz verschwendet wird. Ist der Bereich einmal durch Sehnenentzüdung etc. gereizt und man heilt das nicht richtig aus, kann es chronisch werden und durch eine leichte Schwellung oder durch eine anatomisch bedingte Vorbelastung wird die Sch**** chronisch. Dann schneidet man den Kanal auf, weitet ihn, und die Schmerzen und die Taubheit sollen verschwinden. Klappt vielleicht. Nur lass ich mich ungern operieren. Wiederum mach ich seit vielen Jahren Kieser Training und fand es daher irgendwie unfair und unverständlich, dass ich nach wegtrainierten Rücken- und Nackenproblemen jetzt auch noch Probleme mit meine Händen haben durfte.
Nach abwechselnden Phasen von Schonen (bringt nix) Verzweifeln (bringt noch weniger) Selbstmitleid (bringt am wenigsten) und Durchhalten (auch keine Lösung) bin ich zum Glück irgendwann zu einem Sportarzt / Orthopäden gegangen. Der hatte zwar auch nicht wirklich Ahnung (haben die meistens nur bedingt) hat mich aber zum Glück zu einem guten Physiotherapeuten geschickt. Der hat mich angepasste Übungen zum Krafttraining gezeigt. Zudem habe ich bei Kieser mit der dort angesiedelten Ärztin mein Programm angepasst und eine Freundin hat mir eine großartige Dehnung- und Streckungsübung gezeigt. Der Erfolg kam langsam. Sehr langsam. Aber er kam. Heute trainiere ich jeden zweiten Tag, vor allem wenn ich viel am Rechner gesessen habe. Ich habe zudem meine Maus durch ein Grafiktablett ersetzt und mir eine ordentliche Tastatur gekauft. Heute kann ich wieder normal Gitarre spielen, sogar Klavier und trotzdem als Grafiker arbeiten. Ich bin nicht geheilt und ab- und an in Stresssituationen, oder wenn ich faul war ist es mal wieder nicht soo toll aber grundsätzlich geht’s mir gut. Ihr glaubt gar nicht wie schön es ist, das sagen zu können…da ich inzwischen von zwei Freunden weiß, die ähnliche Probleme haben oder hatten ist meine Vermutung, dass das Problem viele trifft – daher meine Geschichte und meine Tipps.

  1. Macht euch nicht bekloppt. Es wird weggehen. Man braucht nur leider viel Geduld.
  2. Heilt Sehnenscheidenentzündungen immer gut aus! Die kommen nicht von ungefähr. Nichts ist beschi**** als mit halb ausgeheilter Sehnenscheidenentzündung am Rechner zu arbeiten oder Gitarre zu spielen. Also lasst euch verdammt nochmal krankschreiben und schont euch, denn an dieser Stelle hilft das noch. Sobald es abheilt, schont euch nicht mehr, sondern fangt mit dem Krafttraining an.
  3. Die kleinen Bewegungen verursachen die Schmerzen. Nicht die Großen. Diese ständigen immer gleichen Klickbewegungen oder die immer gleichen Arpeggien an der Gitarre sind für Hände eine Riesenbelastungen, die großen Bewegungen mit Hanteln etc. eher eine Entlastung und Stärkung für Schulter- und Armbereich.
  4. Schmeißt die Sch***-Standardmaus weg. Die Dinger sind tödlich. Noch tödlicher sind sie in Kombination mit der bescheuerten Mausbeschleunigung am Mac und die Mighty-Maus vom Mac ist höchsten zauberhaft gut im Erzeugen von Schmerzen. Anatomisch ist das alles Müll. Es gibt spezielle anatomische Mäuse mit so einem Rolldings oder eben Grafiktabletts. Probiert aus, was euch besser passt und gefällt. Es braucht eine Einlernzeit, danach seit ihr genauso schnell oder schneller als vorher. Grafiktablett z.B. von Wacom. A6 ist für die meisten Anwendungen ausreichend. Oder eine Senkrechtmaus oder Mäuse mit Trackball. Die Links sind erstmal Beispiele. Mit ein bisschen googeln findet ihr einige auch recht günstige Angebote.
  5. Auch normale Standardtastaturen sind eigentlich Müll. Besser z.B. da Natural Keyboard von Microsoft. Ja, tatsächlich von Microsoft. Was Gutes und Sinnvolles von Microsoft, was nie abstürzt. Das ist doch mal eine Kaufempfehlung! Übrigens gibts das Keyboard natürlich günstiger als direkt bei Microsoft. Einfach googeln!
  6. Achtet auf eure Sitzhaltung. In vielen Fällen werden die Schmerzen durch eine verspannten und/oder untrainierten Schulterberich erzeugt. Der Kopf pendelt mit wachselnder Müdigkeit gepflegt vornüber, bis er sich fast am Bildschirm anlehnt, die Schultern eingefallen – die perfekte Sitzhaltung um einen Mausarm zu kriegen. Also lieber schnell einen doppelten Espresso oder einmal um den Block und lockern und danach wieder entspannt aber aufrecht hinsetzen.
  7. Ja es ist ungerecht. Manche Menschen sitzen in der ungesundesten Sitzhaltung jahrelang ohne Pausen vorm Rechner und haben nicht einmal den Ansatz von Schmerzen. Leider seid ihr offensichtlich nicht „Manche Menschen“. Sonst würdet ihr das hier nicht lesen. Die „Manchen Menschen“ haben dafür vielleicht Diabetes, werden morgen vom Auto überfahren, sind depressiv oder sind tatsächlich glückliche und gesunde Menschen. Leben ist nicht gerecht und Gesundheit nicht gerecht verteilt. Also drauf geschi*** und lostrainiert.
  8. Last euch nicht von esoterischen Psychologengedöns verrückt machen. Es könnte sein, dass ihr euch selbst im Weg steht. Euch unterbewußt blockieren wollt. Es könnte sein. Aber es muss nicht. Daher: denkt darüber nach. Macht das, wovon ihr träumt. Glaubt an euch. Und wenn ihr merkt, dass ihr eigentlich den richtigen Weg geht und es keinen Grund gibt, ihr auch nicht glaubt, dass euer nerviges Unterbewußtsein schuld ist – ab zum Training. Und freut euch über die Schmerzen beim Training, denn diese Schmerzen spart ihr euch später.
  9. Kräftigt von den großen zu den kleinen Muskeln. Also erst Rücken und Schultern, dann zu den Händen vorarbeiten. Am Anfang reißende Bewegungen, die stark an den Händen ziehen etc. vermeiden. Übertreibts nicht mit den Gewichten, traniert lieber sauber.
  10. Trainiert nicht nur an Geräten, da die Bewegungen da zu genormt und gleichförmig sind. Um alle Muskeln freier zu trainieren macht auch Hanteltraining etc.
  11. Macht viel Sport. Bewegung hilft der Durchblutung und lockert. Das kann nicht schaden.
  12. Alkohol fördert die Schmerzen. Zumindest bei mir ziemlich eindeutig. Also beobachtet, wie das bei euch ist und lasst ggf. den Alk erstmal weg. Haschisch soll bei manchen chronischen Schmerzen helfen. Ob es hier hilft: keine Ahnung. Es wird wohl eher nicht schaden, ist aber auch keine Lösung. Zudem macht ihr eure Lunge platt und werdet wahrscheinlich Nikotinabhängig. Also lieber Muskeln trainieren. Langweilig aber dauerhaft wirksamer. Und wenn ihr irgendeine Droge braucht weil das Leben sonst manchmal nicht zu ertragen ist. Kaffee fördert die Durchblutung…
  13. Wenn die Schmerzen weg sind, sind sie nicht für immer weg. Sorry, aber ihr seid jetzt trockene Mausoholiker. Ihr werdet bis ans Ende eures Lebens trainieren. Aber ist Leben nicht Kampf? Ist es die Musik nicht verdammt nochmal wert? Und ist eine wohltrainierte Rücken- und Schulterpartie nicht auch sexy? Na also.
  14. Und noch eine Kleinigkeit. Bei mir hat das ganze Gedehne wenig geholfen. An erster Stelle steht immer Krafttraining und Lockern scheint mir. Dann kann man zusätzlich dehnen. Aber nur Dehnen hat bei mir einfach mal überhaupt nichts gebracht.
  15. Weiterführender Link: Da steht viel. Für manche vielleicht fast zuviel. Aber auf jeden Fall eine gute Informationsquelle: repetitive-strain-injury.de
  16. Es gibt da noch so Bücher von John E. Sarno (siehe leicht esoterische Psychosomatik). Kann man lesen, aber geht da mit Vorsicht ran. Danach fühlt man sich erstmal scheiße und denkt man wäre irgendwie an allem selber Schuld. Ist man aber vielleicht gar nicht. Vielleicht ist man einfach nur ein empfindsamer Mensch mit einem empfindlichen Körper. Vielleicht ist man gerade deswegen ein guter Musiker oder Designer. Meine Empfehlung wäre: Erstmal nicht lesen. Hört lieber auf Punkt 7. Das sind Binsenweisheiten, die nicht schaden können.
  17. Denkt immer daran: Mit Krankheiten wollen viele Menschen viel Geld verdienen (wie mit eigentlich allem). Macht das was für euch gut und billig ist.
  18. Ihr schafft das!

Für alle Tipps gilt: Alles auf eure eigene Gefahr und ohne Gewähr! Vielleicht stimmt manches davon für mich aber nicht für euch. Geht zu einem guten Physiotherapeuten. Schaut was euch hilft und vor allem haltet durch. Es kann Jahre dauern, aber es geht weg und es ist sehr schön wenn es weg ist. Zudem fühlt man sich dann irgendwie Rock’n’Roll, weil man es den Schmerzen mal so richtig gezeigt hat.

Und wenn die Tipps geholfen haben schreibt mir gern. Auch wenn ihr Fragen habt.

email: info(at)einmannmusik.de

Und wenn ihr euch freut, dass das mal jemand geschrieben habt, dürft ihr gerne in meine Musik reinhören, mich bei Facebook liken, mir eine CD abkaufen oder zu einem Konzert kommen. Aber wehe ihr klickt euch weiter mit einer Handzerstörungmaus durch meine Webseite! Dann komme ich persönlich vorbei und werfe das Drecksding aus dem Fenster.