So, das ist eines meiner persönlichsten Lieder jemals. Ich würde behaupten es ist DAS persönlichste. So persönlich, dass ich mich gut 2 Jahre unbewusst darum gedrückt habe es rauszuhauen.
Ich kämpfe ehrlich gesagt schon mein halbes Leben damit, dass mein Kopf nun ja irgendwie ein bisschen „zuviel“ ist. Zuviel für alles andere. Zuviel für die Emotionen, zuviel für den Körper, zuviel für die Seele.
Sieht man mir nicht an, aber innendrin fährt immer eine Achterbahn und ich hab ja nichts gegen Achterbahn, aber wenn man da immer drin sitzt, ob man will oder nicht, wird einem doch irgendwann schwindelig.
In der Schule hab ich eine Zeit lang immer abwechselnd 1 und 5 geschrieben, je nachdem, ob ich mich konzentrieren konnte oder nicht – je nachdem wie wild die Achterbahn gerade war. War im Unterricht entweder der mit dem aufgeregten Melden und Schnipsen (sorry Frau Schmidt!*) oder kurz vorm Schlafkoma.
Bis ich zum Glück die Kunst und die Musik entdeckt habe. Ich hab dann die komplette Schulzeit durch im Unterricht in so gut wie allen Fächern gezeichnet und das am Ende in Kunst als Mappe eingereicht. So konnte ich endlich die Langeweile ertragen, ohne einzuschlafen. Die Lehrer waren erst irritiert, haben mich manchmal getestet, aber ich kleiner nerviger Nerd wusste ja immer alles, also haben sie irgendwann schlicht aufgegeben.
Ich war zum Glück intelligent genug, um das Chaos in meinem Hirn zu puffern. Ich hab nur 2 Zustände: Voll auf Alarm und kurz vorm Einschlafen.
Andere haben Schreibblockaden, ich weiß nicht was ich ZUERST aufschreiben oder tun soll. Bis Mittag hab ich schon zuviel Ideen für ein Leben.
Was ich mache, hab ich exzessiv gemacht. Ich fang Morgens um 9 an einen Song aufzunehmen und frag mich um 5 Uhr nachmittags, ohne Essen und Trinken, wo die Kopfschmerzen herkommen und warum mir so schwummerig ist und mein Magen ausrastet, während ich mich in unsinnigen Details und Überperfektion verliere.
Ich hab eine Festplatte mit rund 300 halbfertigen Songs. Und Entwürfe für ungefähr 2000. Und nein die Zahlen sind NICHT übertrieben. Gleichzeitig hab ich 2 Alben veröffentlicht.
Genau deswegen wollte ich lange jemand anders sein. Einfach mal Ruhe haben. Und natürlich ist mir das Puffern doch irgendwann auf die Füße gefallen.
Geht nicht für immer gut, sowas. Muss wohl mal knallen.
Ich musste akzeptieren: Ich hab da so nen Ferrari zwischen den Ohren, wenns drauf ankommt geht der in 3 Sekunden von 0 auf 180. Aber ich darf ihn halt niemals ausfahren. Weil ich zwar den Motor dafür hab, aber der Rest eher so Polo ist.
Ist ein harter Lernprozess.
Jetzt ist da sehr viel Sport. Sehr viel Natur, Regelmäßige Übungen und ein Leben, dass sich daran anpasst, dass ich alles instant langweilig finde, bei dem ich weiß, wie es geht. Und bei dem ich mich dazu trickse Sachen fertig zu machen, indem ich den letzen Schritt einfach anderen übergebe.
Und bei der Veröffentlichung achte ich inzwischen sehr genau darauf, WANN ich etwas rausbringe. Denn ja, meist passiert ja gar nicht soviel, trotz all der Arbeit, die man reingesteckt hat und das erträgt die Achterbahn nicht immer so gut.
Ich weiß, ich bin mit alldem nicht allein. Und ich will, dass ihr wisst ihr seid es auch nicht! Deswegen hab ich das jetzt doch herausgehauen.
Ich glaube man muss sich das vorstellen wie eine Superkraft. Eine, die unglaublcih verlockend erscheint, die aber soviel Energie zehrt, dass man sie immer nur ganz kurz benutzen darf.
Ich kann das auf der Bühne abrufen und spontane Songs aus der Luft greifen und dafür mag ich mich inzwischen einfach mal. Und danach, weiß ich jetzt, trinkt ein Jörn keine drei Bier und dreht nicht weiter auf. Sondern trinkt ein alkoholfreies und feiert so und fährt rechzeitig nach Hause.
Und immer wenn das Loch wieder kommt geh ich raus in die Heide. Wandern, laufen, Radfahren. Dann singe ich, dann spiel ich Gitarre, schreib Song um Song ohne mir Gedanken darber zu machen, ob die irgendwen interessieren weil sie MICH interessieren, bis sich die Gehirnströme wieder geordnet haben.
Ich mach das verdammte Internet zu, Social Media, Doomscrolling, Dauerinput – fuck, wir sind als Nomaden in der Steppe unterwegs gewesen, es kann nicht gesund sein auf dem Stuhl klebend das Gehirn mit Rotze zu überfluten.
Ich frag mich auch, ob man in der aktuellen Weltlage überhaupt noch NICHT gestresst sein kann. Eigentlich nur wenn man all den Wahnsinn ausmacht.
Ich beobachte inzwischen mit Schrecken wie die weltweite Aufmerksamkeitsspanne von „Buch lesen“ über „Serienfolge mit immer kürzeren Spannungsböden und Schnitten schauen“ bis zu „Tweet rausballern und Kurzvideos in den Frontallappen ziehen“ gefallen ist. Wir trainieren uns ein Problem richtiggehend an, wogegen andere seit ihrer Geburt kämpfen!
Die Überlaufsituationen bei mir sind irgendwann nach viel Arbeit daran seltener geworden und jetzt eher noch am Ende von Grippe und co. Immerhin. Trotzdem ja, man hadert immer mal wieder.
Aber da ist die Musik. Da ist das Reisen. Da sind all die tollen Menschen um mich. Und ich weiß inzwischen, dass ich mich zeitweilig in der Musik verlieren darf, ja sogar muss, aber auch rechtzeitig wieder raus muss aus der Hyperkonzentration.
Und wenn ihr wissen wollt, warum ich all die KI-Spinner so hasse? Genau deswegen. Weil sie absolut NICHTS verstanden haben. Weil sie im Grunde die vielleicht schönste und nebenwirkungsärmste Medizin der Welt zerstören.
Der Shortcut führt nie zum Glück. Lange ausdauernd arbeiten, wiederholen und besser werden und scheitern bis ins Glück. Der Prozess ist die Freude, nicht das Ziel.
Das Ziel ist immer auch das Ende.
Und ich liebe immer schon die Anfänge.
Passt auf euch auf!
Euer Jörn
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Das tolle Video ist übrigens von Kevin Winiker bzw. Kevin Winiker Photostudio Ottensen. Danke!